Über Stadt.Land.Pop


Generationskonflikt im Museum

Die Zahl der jungen Museumsbesucher ist in den letzten Jahren im Vergleich zur Masse in der Regel verschwindend gering. Das heißt jedoch nicht, dass das die junge Generation nichts für Kultur übrig hätte. Sie definiert sich allerdings etwas anders: Über die Popkultur.

Wie die Geschichte vom Universal Tellerwäscher, die Die Sterne in ihrem gleichnamigen Song besingen, kommt ihre eigene Erfolgsgeschichte der des amerikanischen Traums gleich. Aus der ostwestfälischen Provinz, die aus der Sicht anderer Regionen meist belächelt wird, stammen einige erfolgreiche deutsche Popmusiker der Achtziger und Neunziger, darunter unter anderem Die Sterne und Blumfeld. Diese mussten die Provinz allerdings erst hinter sich lassen, um berühmt zu werden. Ihr Weg führte sie ab dem Ende der Achtziger Jahre nach Hamburg, wo sie Teil einer musikalischen Jugendbewegung, der Hamburger Schule wurden. Die Hamburger Schule steht besonders für den selbstverständlichen Gebrauch der deutschen Sprache in der Popmusik und ließ speziell für die Musiker Karriereträume wahr werden ließ. Zurück in der Provinz blieb das Tonstudio FastWeltweit in der die Erfolgsgeschichte begann. In Bad Salzuflen, einer Stadt, in der der demographische Wandel, nach dem Eindruck der Songwriterin Bernadette La Hengst, bereits in ihrer Jugend den Höhepunkt erreicht hatte, fanden die Musiker weder das passende Publikum noch die Ihnen nach ihrer Ansicht gebührende Anerkennung. Dies war einer der Gründe warum z.B. Bernadette La Hengst ihre Heimat für Berlin verließ, um später den anderen Musikern nach Hamburg zu folgen.
Neben dem Tonstudio und dem Produzenten steht unter anderem die Entwicklung vom Tellerwäscher, zwar nicht zum Millionär, jedoch zum erfolgreichen Popstar im Mittelpunkt der aktuellen Ausstellung Stadt.Land.Pop. im Kulturgut Haus Nottbeck, dem westfälischen Literaturmuseum in Stromberg. Mitten auf dem Land befindet sich das malerische Gut, das mit seiner Dauerausstellung über die westfälischen Literaten kaum junges Publikum anzieht. „Die aktuelle Sonderausstellung lockt neben Schulklassen auch Studenten aus Paderborn, Münster und Bielefeld in unser kleines Stromberg.“berichtet die freundliche, junge Dame am Empfang des Museums. Dass die jungen Leute die Popkultur der Hamburger Schule bereits mit der Muttermilch aufgenommen haben und sich durch die poppige und besonders multimediale Ausstellung nicht abschrecken lassen, wie das ältere Besucher häufig tun, fällt sofort auf. Den älteren Besuchern reicht meist ein kleiner Blick in die Ausstellung, tiefer in die Materie eintauchen wollen sie aber offenbar nicht. Vielleicht schrecken die grellen Farben oder die vielen Medien ab, möglicherweise auch die vielen jungen Leute, deren rudelartiges Auftreten für den Stromberger Museumsbesucher im Allgemeinen eher ungewöhnlich ist. Vielleicht erkennen sie aber auch die literarische Verbindung zwischen Popmusik und Literatur nicht oder wollen sie nicht sehen. Dabei sind sich der Begriff ‚Lyrik‘ und das englische ‚lyrics‘ nicht nur zufällig so ähnlich. Viele Songtexte der Hamburger Schule behandeln Themen genauso oder ähnlich wie lyrische Texte und sind oft tiefgründiger als sie auf den ersten Blick scheinen, arbeiten mit dem Text gegen die Musik selbst oder mit ihr.
Die Verbindung von Freizeitspaß, Musik, Popkultur und ein bisschen eigener Geschichte steht für die jugendlichen Besucher der Museen im Mittelpunkt. Ältere Generationen sind im Heimatmuseum Haus Nottbeck eher auf der Suche nach der Verbindung zwischen Kultur und Bildung, aber auch sie suchen häufig nach einem Stück eigener Geschichte und eigenem Lebensgefühl. Dass die Popkultur aus der Lyrik wie der Phönix aus der Asche entstanden ist, scheint für beide Generationen schwer nachvollziehbar und doch gelingt es dem westfälischen Literaturmuseum diese Verbindung mit der Ausstellung wenigstens ein bisschen deutlicher zu machen. Die kostenlose Sonderausstellung Stadt.Land.Pop läuft noch bis zum 03. Mai 2009 und hilft zu verstehen, warum die junge Generation soviel für Musik und neue Medien übrig hat und warum es der alten Generation so viel Spaß macht ins Museum zu gehen.

Amélie Förster

Literaturhinweise:

Fischer, Björn: Die Lyrik der späten Hamburger Schule (1992-1999) – Eine intermediale Untersuchung; Grin Verlag, München/Ravensburg 2007. ISBN 978-36388-669-58

Moritz Baßler, Walter Gödden, Jochen Grywatsch und Christina Riesenweber (Hrg.): Stadt.Land.Pop – Popmusik zwischen westfälischer Provinz und Hamburger Schule. Aisthesis, Bielefeld 2008. ISBN 3-89528-708-3.


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